
Wie kann ich meine Kinder in einer Homeschoolsituation freilernen lassen?
Hier in der Schweiz ist es erlaubt, seine Kinder zuhause zu unterrichten. Die Gesetzgebung ist jedoch in jedem Kanton unterschiedlich. Im Kanton Basel Land/Basel Stadt zum Beispiel darf man seine Kinder nur zuhause unterrichten, wenn man selbst Lehrer der jeweiligen Stufe ist. Im Kanton Bern dürfen Eltern mithilfe einer Lehrperson, die sie begleitet, ihre Kinder zuhause unterrichten.
Im Kanton Aargau, hier leben wir, muss man als Eltern eine gewisse Bildung vorweisen und kann so seine Kinder zuhause unterrichten.
In der ganzen Schweiz ist man als Eltern verpflichtet, die Kinder nach dem kantonalen Lehrplan zu unterrichten und somit die gleichen Lernziele im Auge zu behalten, wie sie auch die Kinder in der Schule haben.
Freilernen ist hier keine Option sondern strukturierter Unterricht ist gewünscht.
Doch was mache ich nun damit, wenn ich eigentlich vom Freilernen überzeugt bin, ein Leben auf Reisen erst mal nicht möglich ist und ich diese Vorgaben habe?
Gehe ich gewisse Kompromisse ein? Manipuliere ich mein Kind und zeige ihm auf, dass es die Wahl hat zwischen „kurzem“ Unterricht bei mir oder „langem“ Unterricht in der Schule?
Anfangs war ich der Meinung, strukturierter Unterricht sollte schon nicht so schlimm sein. Aber mein Sohn hat sich komplett dagegen gewehrt, war noch so blockiert von seinen Kindergartenerfahrungen, dass mir nichts anderes übrig blieb, als ihm erst einmal den nötigen Freiraum zu geben. Und was da alles stattfand, war unglaublich. Ich war fasziniert, wie mein Kind im Spiel die Grundrechenarten verstehen lernte, indem er z.B. die Räder seiner Spielzeugautos zählte und freudig zum Schluss kam, dass wenn auf jeder Seite des Fahrzeugs sieben Räder sind, dass dann 2x7 eben 14 ergibt. Und so ging das weiter. Auch lesen und schreiben lernte unser Sohn ganz für sich. Meine einzige Aufgabe bestand darin, seine Fragen zu beantworten. „Was ist das für ein Buchstabe?“ „Wie liest man?“ Warum verstehe ich oft nicht, was ich lese?“ Er war 5 Jahre alt, als er flüssig lesen konnte.
Also wie sehe ich meine Aufgabe als Mutter und gleichzeitig als Lehrperson?
Fakt ist, dass ich ja bei der jährlichen Kontrolle seitens der Schule dem Lehrplan entsprechende Arbeitsmaterialien präsentieren muss.
Also ist es vor allem meine Aufgabe, meine Kinder genau zu beobachten, um sie da abzuholen, wo sie sind. Was sind grade die Interessen? Was stellen sie für Fragen? Und auf diesem natürlichen Interesse den „Unterricht“ zu gestalten, dort Material anzubieten, wo sie grade motiviert zum Lernen sind. Dann mit ihnen zu rechnen, schreiben, lesen, wenn sie es von sich aus wollen.
Eine für uns immer wiederkehrende Situation, in der meine Kinder rechnen wollen, ist abends im Bad, wenn sie sich fürs Bett richten, auf dem Klo sitzen, oder noch eine Runde auf dem Trampolin springen.
Und dann bin ich da, beantworte ihre Fragen, stelle die gewünschten Aufgaben. Bin präsent.
Auch der Fotoapparat darf bei dieser Art zu lernen nicht fehlen. Bauen, basteln, kreieren sie etwas, das in den Lehrplan passt, bin ich zur Stelle und dokumentiere.
Durch dieses genaue Beobachten, weiss ich inzwischen, wie meine Kinder lernen und wie ich sie für ein Thema begeistern kann. Oft steigen wir in ein Thema ein, indem wir es hautnah erleben. Ein Burgbesuch oder Mittelalterfest bringt uns ins Thema Mittelalter, das wir danach mit Geschichten, Aufgaben, usw. begreifen.
Den Umgang mit Masseinheiten bringe ich meinen Kindern nicht bei, indem ich eine Waage vor sie stelle und auf sie einrede, sondern indem sie mir die Zutaten für einen leckeren Kuchen abwiegen.
Aber was ist, wenn das Kind trotzdem nicht mitmacht?
Neu in der ersten Klasse hatten wir nun die Situation, dass mein Sohn, der ja schon lesen und schreiben kann, absolut keinen Sinn darin sah, in seinem Deutscharbeitsheft 20x den gleichen Buchstaben zu schreiben. Ich dachte aber erst einmal, dass er diese Seiten für unsere Kontrolle wohl oder übel ausfüllen muss. Also ist es schon jetzt vorbei mit der Freiheit?
In einer heftigen Krise fragte ich ihn schliesslich, was ER denn brauche, damit ihm das Schreiben ein wenig Spass macht. Die Antwort kam promt:"Ich will einfach andere Wörter schreiben, Dinosauriernamen, LKW-Marken, etc." Ja klar, warum bin ich nur nicht selbst drauf gekommen. Also vereinbaren wir gemeinsam, dass er den jeweiligen Buchstaben übt und sich dann ein Wort ausdenkt, in dem dieser vorkommt. Problem tatsächlich gelöst!!
Also mein Fazit: Seid kreativ, flexibel, beobachtet, seid präsent und wenn ihr doch einmal wieder in irgendeinem Gedankenmuster gefangen seid, fragt doch einfach bei eurem Kind nach. Dann klappt das mit dem Freilernen auch in einer Homeschoolingsituation.